
[27] „[W]ährend der wichtigsten Schuljahre Joseph’s war Professor Kaercher Direktor. Dieser leitete die Lektüre der griechischen und lateinischen Klassiker und es ist beachtenswerth, daß dieser Hauptlehrer die Etymologie zum Steckenpferd hatte und der Hinweis auf die Sprachentwickelung seinem Unterricht eine Würze gab, die mindestens sein Musterschüler – Scheffel war […] von der untersten bis zur obersten Klasse entweder der Erste oder der Zweite, unbestritten aber der Erste, was seine geistigen Anlagen betraf – sehr schmackhaft fand und auf dessen spätere Empfänglichkeit für altdeutsche Sprachstudien sicherlich nicht ohne Einfluß geblieben ist. Auf jeden Fall war Scheffel ein ausgezeichneter Schüler und zwar ohne daß sein aufgewecktes, wenn auch sinniges Wesen dadurch an Frische eingebüßt hätte. Mit Leichtigkeit bewältigte er – bald mehr oder minder gründlich – die Schulaufgaben und fand dabei genügend Zeit, um seine Privatliebhaberei für die Zeichenkunst zu pflegen und seine Neigung zum Studium der Geschichte und Literatur in selbstständiger Weise zu befriedigen.“ […]
Evangelische Stadtkirche und Lyceum in Karlsruhe um 1835 (Detail).
Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe, J-B Karlsruhe 117, 1

[28] „Daß auf dem Weg der Lektüre der Geist der Ritterromantik, wie sie in der deutschen und normannischen Heldensage waltet, sich überhaupt damals der jungen Geister des Scheffel’schen Freundeskreises bemächtigt hatte, ist uns ausdrücklich beglaubigt. Und zwar gab diese Romantik sogar den Kneipabenden der jungen Primaner Form und Gehalt. König Artus‘ Tafelrunde wurde nachgeahmt und allerhand ritterliches Kostüm mußte die Illusion unterstützen. Scheffel, dessen äußere Erscheinung und sinnig-freundliches Wesen in jenen Jahren etwas von mädchenhafter Scheu und Anmuth an sich hatte, fiel in diesem Kreise die Rolle der Königin Ginevra zu, und, mit Schleier und goldenem Stirnreif kostümirt, athmete er zuerst die Poesie studentischer Kneipgeselligkeit, die er später mit so viel männlicher Kraft und derbem Humor zum Element vieler seiner besten Lieder gemacht hat.“ […]
Johannes Proelß, Scheffel’s Leben und Dichten. Berlin 1887
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